Determinismus

Arthur Schopenhauer

Arthur Schopenhauers Auffassung des Determinismus fasziniert durch seine radikale Behauptung, dass unser Wille und somit unser Handeln durch innere und äußere Notwendigkeiten vollständig bestimmt ist. Eröffnet dieser Gedanke nicht ungeahnte Einblicke in das Wesen menschlicher Freiheit und Verantwortung? Entdecke, wie Schopenhauer diese umstrittene Sichtweise begründet und welche Konsequenzen sie für unser Verständnis von Moral und Selbstbestimmung hat.

Inhalt

Biografie

Arthur Schopenhauer (* 22. Februar 1788 in Danzig; † 21. September 1860 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Philosoph und Hochschullehrer. Schopenhauer entwarf eine Lehre, die gleichermaßen Erkenntnistheorie, Metaphysik, Ästhetik und Ethik umfasst. Innerhalb der Philosophie des 19. Jahrhunderts entwickelte er eine eigene Position des subjektiven Idealismus und vertrat als einer der ersten Philosophen im deutschsprachigen Raum die Überzeugung, dass der Welt ein irrationales Prinzip zugrunde liegt.

Zitate

Original Textauszug

Ein freier Wille wäre […] ein solcher, der nicht durch Gründe […] bestimmt würde; dessen einzelne Äußerungen (Willensakte) also schlechthin und ganz ursprünglich aus ihm selbst hervorgingen, ohne durch vorhergängige Bedingungen notwendig herbeigeführt […] zu sein. […] [Bei der Auffassung, dass der Wille] ein ohne zureichende Gründe sich Entscheidendes sei, dessen Entschlüsse unter gegebenen Umständen bei ein und demselben Menschen so oder auch entgegengesetzt ausfallen könnten [handelt es sich um einen Irrtum].

Um die Entstehung dieses für unser Thema so wichtigen Irrtums speziell und aufs Deutlichste zu erläutern […] wollen wir uns einen Menschen denken, der, etwa auf der Gasse stehend, zu sich sagte: „Es ist 6 Uhr abends, die Tagesarbeit ist beendigt. Ich kann jetzt einen Spaziergang machen; oder ich kann in den Klub gehn; ich kann auch auf den Turm steigen, die Sonne untergehn zu sehn; ich kann auch ins Theater gehn; ich kann auch diesen oder aber jenen Freund besuchen; ja ich kann auch zum Tor hinauslaufen, in die weite Welt, und nie wiederkommen. Das alles steht allein bei mir, ich habe völlige Freiheit dazu; tue jedoch davon jetzt nichts, sondern gehe ebenso freiwillig nach Hause, zu meiner Frau.“ Das ist geradeso, als wenn das Wasser spräche: „Ich kann hohe Wellen schlagen (ja! nämlich im Meer und Sturm), ich kann reißend hinabeilen (ja! nämlich im Bette des Stroms), ich kann schäumend und sprudelnd hinunterstürzen (ja! nämlich im Wasserfall), ich kann frei als Strahl in die Luft steigen (ja! nämlich im Springbrunnen), ich kann endlich gar verkochen und verschwinden (ja! bei 80° Wärme); tue jedoch von dem allen jetzt nichts, sondern bleibe freiwillig, ruhig und klar im spiegelnden Teiche.“ Wie das Wasser jenes alles nur dann kann, wann die bestimmenden Ursachen zum einen oder zum andern eintreten; ebenso kann jener Mensch, was er zu können wähnt, nicht anders als unter der selben Bedingung. Bis die Ursachen eintreten, ist es ihm unmöglich: dann aber muss er es sogar wie das Wasser, sobald es in die entsprechenden Umstände versetzt ist.

[…] Ich kann […], wenn ich will , alles, was ich habe, den Armen geben und dadurch selbst einer werden – wenn ich will ! – Aber ich vermag nicht, es zu wollen ; weil die entgegengesetzten Motive zu viel Gewalt über mich haben, als dass ich es könnte. Hingegen, wenn ich einen anderen Charakter hätte, und zwar in dem Maße, dass ich ein Heiliger wäre, dann würde ich es wollen können; dann aber würde ich auch nicht umhinkönnen, es zu wollen, würde es also tun müssen. […]

Unter der Voraussetzung der Willensfreiheit wäre jede menschliche Handlung ein unerklärliches Wunder – eine Wirkung ohne Ursache.

Arthur Schopenhauer: Die beiden Grundprobleme der Ethik, I: Über die Freiheit des Willens, in: Sämtliche Werke. Hrsg. von W. Löhneysen, Bd. 3. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1977. S. 527, 561-562, 563, 565

Lernzettel

  • freier Wille = Unbedingtes, das aus sich selbst hervorgeht → er wäre eine Wirkung ohne Ursache
  • es sei unmöglich, dass eine menschliche Handlung aus freiem Willen getroffen werde, da dies sonst ein unerklärliches Wunder bzw. eine Wirkung ohne Ursache wäre
    → der Mensch sei also fremdbestimmt durch Ursachen
  • menschlicher Wille werde durch Gründe, Bedingungen, Äußerungen, mögliche Konsequenzen, etc. beeinflusst → Entscheidung werde auf dem Prinzip von Wirkung & Ursache (Kausalität) getroffen
    → Vergleich des Menschen mit stillem Wasser: Sowie das Wasser in einem Glas sich nicht ohne Einwirkung bewegen könne, könne der Mensch auch nicht ohne Einwirkung handeln
  • Veranschaulichung: Ich könne einem Armen alles geben, was ich besitze, wenn ich will. Aber ich sei nicht in der Lage, es zu wollen, weil die negativen Konsequenzen mich zu sehr beeinflussen.
    → dieses Wollen sei ausschließlich die Eigenschaft eines Heiligen, mithin müsse jeder Heilige es wollen & demnach auch tun → Folglich sei ein heiliges Wesen genauso unfrei wie der Mensch, weil es dazu verurteilt wäre, alles abzugeben

Schaubild

Klausurtext

Tragfähigkeit

  • Es stimmt, dass der eigene Wille durch äußere Einflüsse gelenkt werden kann →  z.B. durch Drohungen, negative Konsequenzen, etc.
  • Der Mensch ist den Naturgesetzen unterworfen → spricht für den Determinismus
  • Schopenhauer betont die zentrale Rolle von Motivation bei menschlichen Handlungen → ohne Motivation ist es unmöglich, zu handeln → empirische Belegbarkeit dieser Beeinflussung durch Motivationen
  • es ist gesellschaftlich akzeptiert, dass man durch äußere Faktoren beeinflusst wird (s. Rechtsprechung mildernde Umstände)
  • die Behauptung, es gebe keinen freien Willen, ist deshalb falsch, weil äußere Einflüsse den Menschen zwar in seiner Entscheidung beeinflussen können, er aber immer noch selbst entscheiden kann, was er tut → auch wenn mögliche Konsequenzen gegen eine Handlung sprechen, kann er diese wählen, wenn er gute Gründe dafür hat (s. Soßenbeispiel Gabriel)
  • der Vergleich des Menschen mit Wasser ist sehr vereinfacht und somit wird die Komplexität des menschlichen Bewusstseins und einhergehender Entscheidungen vernachlässigt
  • er argumentiert mit dem Kausalitätsprinzip
    → es mag zwar keinen absolut freien Willen geben, da der Mensch immer beeinflusst wird, jedoch ist ein freier Wille möglich

 

Teste dein Wissen

Das Kausalitätsprinzip oder auch Prinzip von Ursache und Wirkung widerspreche laut Schopenhauer dem freien Willen.

Nach Schopenhauer wäre der freie Wille eine Wirkung ohne Ursache.  Folglich könnten menschliche Handlungen nicht aus freiem Willen getroffen werden, da dies einem „unerklärlichen Wunder“ gleichkäme.

Schopenhauer nennt unter anderem Gründe, Bedingungen, äußere Umstände und mögliche Konsequenzen als Faktoren, die den menschlichen Willen beeinflussen würden.

So besitze der Mensch zwar einen Willen, dieser sei aber beeinflusst und determiniert.

Schopenhauer vergleicht den menschlichen Willen mit stillem Wasser, das nur in Bewegung gerät, wenn eine äußere Ursache darauf einwirkt, ähnlich wie der menschliche Wille durch äußere Ursachen bestimmt werde. So könne er [der Mensch] nur handeln, wenn er durch äußere Faktoren gelenkt werde.

Schopenhauer benutzt das Beispiel, dass man einem Armen alles geben könne, was man besitze, wenn man es wollte. Der normale Mensch sei aber nicht in der Lage dazu, dies zu wollen, da ihn die negativen Konsequenzen zu stark beeinflussen würden.

Deshalb sei er in seiner Entscheidung determiniert, so Schopenhauer.

Nach Schopenhauer sei ein Heiliger ebenso unfrei wie der normale Mensch, da er durch seine Eigenschaft als Heiliger dazu verurteilt wäre, alles abzugeben, was er besitzt, weshalb er es wollen und somit auch tun müsse.

Schopenhauers Determinismus hebt hervor, dass sowohl menschliche Handlungen als auch Handlungen eines Heiligen durch Ursachen bestimmt und somit unfrei seien, und dass absolute Freiheit des Willen für kein Wesen existiere.

Schopenhauer würde entgegnen, dass auf den Menschen äußere Einflüsse einwirken und somit den Willen des Menschen determinieren.

Vermutlich wurde Schopenhauer Sartre darin zustimmen, dass ein göttliches Wesen nicht existiert.

Für Roth liegt der Grund des determinierten Willens in den genetischen Veranlagungen des Menschen. Aufgrund der genetischen Ausstattung seien Präferenzen des Menschen vorbestimmt und er könnte somit nicht völlig frei entscheiden, da sie ihn unbewusst beeinflussen würden. Der Einfluss gehe also vom Inneren des Menschen aus.

Schopenhauer hingegen sieht die Ursache des determinierten Willens vorrangig in äußeren Einflüssen wie z.B. Konsequenzen, die die Entscheidungen des Menschen bewusst lenken.

Gabriel würde Schopenhauer darin zustimmen, der Mensch werde durch harte anonyme Ursachen bzw. Gründe in seinen Entscheidungen beeinflusst. Einflüsse durch harte anonyme Ursachen seien absolut und bindend.

Jedoch würde Gabriel sein Urteil ablehnen, dass der Mensch deshalb unfrei sei. Vielmehr würde er sagen, dass der Mensch zwar durch Gründe beeinflusst werde, er letztendlich jedoch trotzdem selbst entscheiden könne, was er tut oder unterlässt, dieser Einfluss jedoch nicht bindend sei. So führt er das Soßenbeispiel an, um zu zeigen, dass der Mensch vielleicht feste Präferenzen hat, er sich bei Vorhandensein guter Gründe aber trotzdem gegen seine Präferenzen entscheiden kann.

 

Lernmaterial