Rationalismus

René Descartes

René Descartes, der Vater des modernen Rationalismus, revolutionierte die Philosophie mit seiner Überzeugung, dass die Vernunft die sicherste Quelle von Wissen ist. Sein berühmter Ausspruch "Cogito, ergo sum" (Ich denke, also bin ich) legte den Grundstein für eine neue Ära des Denkens und Forschens.

Inhalt

Biografie

René Descartes (* 31. März 1596 in La Haye en Touraine; † 11. Februar 1650 in Stockholm) war ein französischer Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler.

Zitate

Original Textauszug

Wir wollen jene Dinge betrachten, die man gemeinhin am deutlichsten zu erkennen meint, nämlich die Körper, die wir betasten und sehen. […] Nehmen wir z. B. dieses Stück Bienenwachs. Es ist ganz frisch aus Honigscheiben gewonnen worden. Noch hat es nicht allen Honiggeschmack verloren. Ein wenig bewahrt es von dem Duft der Blumen, aus denen es gesammelt wurde. Seine Farbe, seine Gestalt, seine Größe liegen offen zutage. Es ist hart, kalt, man kann es leicht anfassen, und wenn man mit dem Knöchel darauf klopft, gibt es einen Ton von sich. […]

Doch sieh da, während ich rede, kommt es dem Feuer nahe; der Rest des Geschmacks vergeht; sein Duft verflüchtigt sich; seine Farbe ändert sich; seine Form verschwindet. Es nimmt zu an Größe, wird flüssig, wird heiß, kaum kann man es noch anfassen, und schlägt man darauf, so gibt es keinen Ton mehr.

Bleibt es nun noch dasselbe Stück Wachs? Man muss es zugeben, niemand leugnet es, niemand ist anderer Meinung. Was wurde denn an ihm so deutlich aufgefasst? Sicherlich nichts von alledem, was ich mit den Sinnen erreichte, denn alles, was unter den Geschmack, den Geruch, das Gesicht, das Gefühl oder das Gehör fiel, hat sich jetzt geändert; das Stück Wachs bleibt.

Vielleicht ist es das mir jetzt Bewusste: Das Wachs selbst nämlich war gar nicht jene Honigsüße, nicht jener Blumenduft, jenes Weiß, jene Form, jener Ton; es war vielmehr ein Körper, der mir kurz vorher in solchen, jetzt aber in anderen Zustandsweisen erschien. Was aber fasse ich, genau gesagt, bildhaft auf? Aufgepasst! wir bringen alles in Abzug, was nicht zu dem Stück Wachs gehört, und sehen zu, was übrigbleibt: Es ist lediglich etwas Ausgedehntes, Biegsames, Veränderliches. […]

So muss ich schließlich gestehen, dass ich mir nicht einmal bildhaft vorstellen kann, was dieses Stück Wachs hier ist, sondern es allein durch den Geist auffasse. […]

Was ist denn nun dieses Wachs […]? Offenbar eben das, was ich sehe, berühre, bildhaft vorstelle; überhaupt dasselbe, das ich von Anfang an für seiend gehalten habe. Aber, wohlgemerkt, die Auffassung desselben besteht nicht in einem Sehen, Berühren, sinnlichen Vorstellen, und bestand überhaupt nie darin, wenn es mir auch früher so vorkam; sie besteht vielmehr in einem bloßen geistigen Einblick, der unvollkommen und verworren sein kann wie vordem, oder klar und deutlich wie jetzt, je nachdem, ob ich mehr oder weniger auf seine Bestandteile achte. […]
In Wahrheit […] erfasse ich das, was ich mit den Augen zu sehen meinte, […] nur durch das Urteilsvermögen, welches meinem Geist innewohnt. […] Ich weiß jetzt, dass die Körper nicht eigentlich von den Sinnen oder von der Einbildungskraft, sondern vom Verstande wahrgenommen werden […].

René Descartes: Meditationes de Prima Philosophia / Meditationen über die Erste Philosophie. Lateinisch / Deutsch. übersetzt und hrsg. von Gerhart Schmidt. Reclam, Stuttgart 1986. S. 63, 65

Lernzettel

  • Position: Rationalismus (Meditationes de Prima Philosophia: 1. Meditation)
  • Problemfrage: Wie gewinnt der Mensch Erkenntnis? Gibt es sichere Erkenntnis?
  • These: Erkenntnis ist nur durch den Verstand möglich

 

  • methodischer Zweifel:
    1. Sinneswahrnehmungen → Sinne könnten getäuscht werden
    2. Träume → möglich, dass Traum & Realität nicht voneinander zu unterscheiden sind
    3. Logik und Mathematik → könnten durch den Genius Malignus beeinflusst werden
    Schluss: Das einzige, woran nicht gezweifelt werden könne, sei die Existenz des denkenden Subjekts: „Cogito ergo sum“
  • Erkenntnis erfolge also ausschließlich durch den Verstand
    → Illustration durch Gedankenexperiment am Kaminfeuer (Wachsbeispiel): Veränderungen des Wachses durch Feuer zeigen, dass Sinneswahrnehmungen nicht die Quelle unserer Erkenntnis sein können → trotz äußerlicher Veränderungen erkennt der Mensch das Wachs als dasselbe
    → Mensch erfasse das Wesen von Dingen also nur durch den Verstand bzw. die Vernunft

 

  • zwei Erkenntnisarten:
    1. Intuition: instinktive, klare Erkenntnisse durch die Vernunft
    2. Deduktion: Ableitungen von intuitiven Schlüssen, Grundlage für die Wissenschaft

Schaubild

Klausurtext

Tragfähigkeit

  • “cogito ergo sum“ ist definitiv nicht anzweifelbar
    → dass die Sinne getäuscht werden können, ist eine valide Annahme (s. Kleid, Wachs)
  • Erfahrung allein kann niemals sicheres Wissen liefern → logisch (s. Kant)
  • Gettier-Problem: Wissen und Zufall oder auch wahre Überzeugung sind nicht vereinbar
    → s. Scheunen-Beispiel, Münzen-Beispiel
  • Gedanken könnten auch durch den Genius malignus beeinflusst bzw. eingeschränkt werden
  • ganz ohne Erfahrung wäre es dem Menschen unmöglich, zu denken (Synthese nötig)
  • Genius malignus kann Mathematik und Logik nicht verfälschen, da die Zahlen ein vom Menschen erdachtes Konstrukt sind

Teste dein Wissen

Vertreter des Rationalismus sind der Ansicht, dass Erkenntnis nur durch den Verstand gewonnen werden kann.

Descartes machte ein Gedankenexperiment am Kaminfeuer. Er stellt sich ein Stück Bienenwachs vor, welches zunächst fest und gelblich ist und einen markanten Geruch hat. Unter Einwirkung des Feuers, überlegte er, verändert sich das Stück Wachs: Die Farbe verblasst, der Geruch verschwindet und es wird flüssig.

Trotz dieser äußerlichen Veränderungen erkennt der Mensch, dass es sich um dasselbe Wachsstück handelt.

Anhand diesen Beispiels wollte er zeigen, dass Sinneswahrnehmungen nicht zuverlässig sind und uns täuschen können.

Um herauszufinden wie Erkenntnis dennoch möglich ist, entwickelt er den methodischen Zweifel und schließt alle Dinge aus, die sich anzweifeln lassen.

  1. schließt Descartes alle Sinneswahrnehmungen aus, da die Sinne den Menschen täuschen könnten (s. Bienenwachs).
  2. zweifelt er an, dass der Mensch Träume von der Realität unterscheiden kann, denn möglicherweise befindet sich der Mensch in einem permanenten Traum.
  3. zweifelt er auch die Logik und Mathematik an, denn er nimmt an, es könnte einen Genius malignus – einen bösen Täuschergott – geben, der den Menschen durchgehend täuscht und auch sein Denken beeinflusst.

Er kommt zu dem Schluss, das einzige, woran nicht gezweifelt werden kann, ist die Existenz des denkenden Subjekts: „Cogito ergo sum“ – zu Deutsch: „Ich denke, also bin ich“.

Das Subjekt selbst kann zwar daran zweifeln, was es selbst denkt, nicht aber daran, dass es überhaupt denkt und somit existiert. Die eigene Existenz ist durch die Möglichkeit des Denkens und Zweifelns also bestätigt.

Hierbei kann allerdings nur die Existenz des Menschen als eine denkende Entität, nicht aber seine physische Form bewiesen werden.

Durch das Bienenwachsbeispiel und die drei Argumente des Zweifels wird deutlich, dass unsere Sinne und Erfahrungen uns in die Irre führen können.

Descartes kommt deshalb zu dem Schluss, dass Körper nicht durch die Sinne, sondern nur durch den Verstand wahrgenommen werden könnten, d.h. der Mensch nur durch den Verstand zur Erkenntnis gelange.

 

Descartes spricht von zwei möglichen Erkenntnisarten – Erkenntnisse durch Intuition und Deduktion.

Instinktive, eindeutige Erkenntnisse, wie z.E. „cogito ergo sum“ oder erste mathematische Erkenntnisse, erlangt der Mensch durch die Vernunft.

Deduktive Erkenntnisse hingegen sind laut Descartes Ableitungen von intuitiven Schlüssen, also bereits vorhandener Erkenntnis, und bilden die Grundlage für die Wissenschaft.

  • mathematische Urteile wie 7+5=12
  • Jede Wirkung hat eine Ursache.

Kant argumentierte, der Genius malignus kann die Mathematik  gar nicht verfälschen, da sie ein vom Menschen erdachtes Konstrukt ist. Der Mensch hat die Zahlen selbst erfunden und daraus ein größtenteils funktionierendes, komplexes System errichtet.

Descartes als Vertreter des Rationalismus behauptet, dass sichere Erkenntnis nur durch den Verstand möglich sei, der Mensch die Erfahrung also überhaupt nicht benötige.

Kant beweist, dass dies nicht möglich ist, da zum Gewinn von Erkenntnis sowohl der Verstand als auch die Sinne benötigt werden.

 

Bei dem Satz „cogito ergo sum“ handelt es sich um ein synthetisches Urteil a priori. Es ist insofern unabhängig von Erfahrung, als das es aus logischen Strukturen des menschlichen Verstandes gebildet worden ist, womit es notwendig und allgemein gültig ist. Jedoch bedarf es trotzdem der Erfahrung, denn ohne Anschauungen zu den Begriffen und Verknüpfungen dieser, wäre es dem Menschen unmöglich, ein solches Urteil zu bilden.

Lernmaterial