Contract social

Jean-Jacques Rousseau

Jean-Jacques Rousseaus "contract social" ist ein revolutionäres Werk, mit dem er die Grundlage moderner Demokratien gelegt hat, indem er die Idee der kollektiven Souveränität und des Gemeinwillens einführt. Rousseau argumentiert leidenschaftlich dafür, dass wahre Freiheit und Gerechtigkeit nur durch die gemeinsame Übereinkunft der Bürger erreicht werden können.

Inhalt

Biografie

Jean-Jacques Rousseau (* 28. Juni 1712 in Genf; † 2. Juli 1778 in Ermenonville bei Paris) war ein Genfer Schriftsteller, Philosoph, Pädagoge, Naturforscher und Komponist. Abweichend vom vorherrschenden Zeitgeist, der vom Fortschrittsglauben der Aufklärung und dem Ideal der Vernunft geprägt war, setzte Rousseau seine Akzente bei der Naturnähe (nature) und beim Gemeinwillen (volonté générale). Für ihn war der vermeintliche zivilisatorische Fortschritt mit zunehmender sozialer Ungleichheit verbunden und mit einem Rückschritt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Zitate

Original Textauszug

Unverzichtbarkeit der Freiheit:
Der Mensch ist frei geboren, und überall liegt er in Ketten. Einer hält sich für den Herrn der anderen und bleibt doch mehr Sklave als sie. Wie ist dieser Wandel zustande gekommen? Ich weiß es nicht. Was kann ihm Rechtmäßigkeit verleihen? Diese Frage glaube ich beantworten zu können.

Wenn ich nur die Stärke betrachtete und die Wirkung, die sie hervorbringt, würde ich sagen: Solange ein Volk zu gehorchen gezwungen ist und gehorcht, tut es gut daran; sobald es das Joch abschütteln kann und es abschüttelt, tut es noch besser; denn da es seine Freiheit durch dasselbe Recht wiedererlangt, das sie ihm geraubt hat, ist es entweder berechtigt, sie sich zurückzuholen, oder man hatte keinerlei Recht, sie ihm wegzunehmen. Aber die gesellschaftliche Ordnung ist ein geheiligtes Recht, das allen anderen zur Grundlage dient. Trotzdem stammt dieses Recht nicht von der Natur; es beruht also auf Vereinbarungen. Es handelt sich darum, die Art dieser Vereinbarungen zu kennen. […]

Da kein Mensch von Natur aus Herrschaft über seinesgleichen ausübt und da Stärke keinerlei Recht erzeugt, bleiben also die Vereinbarungen als Grundlage jeder rechtmäßigen Herrschaft unter Menschen. […]
Man wird sagen, dass der Despot seinen Untertanen die bürgerliche Ruhe sichert. Mag sein; aber was gewinnen sie dabei, wenn die Kriege, die sein Ehrgeiz ihnen zuzieht, wenn seine unersättliche Gier, wenn die Misshandlungen unter seiner Regierung sie elender machen als gegebenenfalls ihre eigenen Zerwürfnisse? Was gewinnen sie, wenn diese Ruhe gerade eines ihrer Leiden ist? Auch in den Verliesen lebt man in Ruhe; genügt das, um sich dort wohl zu fühlen? Die Griechen, die in der Höhle des Zyklopen gefangen waren, lebten dort ruhig und warteten, bis sie an die Reihe kamen, gefressen zu werden. […]

Auf seine Freiheit verzichten heißt auf seine Eigenschaft als Mensch, auf seine Menschenrechte, sogar auf seine Pflichten verzichten. Wer auf alles verzichtet, für den ist keine Entschädigung möglich. Ein solcher Verzicht ist unvereinbar mit der Natur des Menschen; seinem Willen jegliche Freiheit nehmen heißt seinen Handlungen jegliche Sittlichkeit nehmen. Endlich ist es ein nichtiger und widersprüchlicher Vertrag, einerseits unumschränkte Macht und andererseits unbegrenzten Gehorsam zu vereinbaren.

Jean-Jacques Rousseau: Du contract social ou Principes du droit politique / Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts, neu übersetzt und hrsg. von Hans Brockard in Zusammenarbeit mit Eva Pietzcker. Philipp Reclam jun., Stuttgart 1986 (durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe). S. 5-6, 10-11

 

Der Gesellschaftsvertrag – neu gedacht:
Ich unterstelle, dass die Menschen jenen Punkt erreicht haben, an dem die Hindernisse, die ihrem Fortbestehen im Naturzustand schaden, den Sieg davontragen über die Kräfte, die jedes Individuum einsetzen kann, um sich in diesem Zustand zu halten. Dann kann dieser ursprüngliche Zustand nicht weiterbestehen, und das Menschengeschlecht würde zugrunde gehen, wenn es die Art seines Daseins nicht änderte. Da die Menschen nun keine neuen Kräfte hervorbringen, sondern nur die vorhandenen vereinen und lenken können, haben sie kein anderes Mittel, sich zu verhalten, als durch Zusammenschluss eine Summe von Kräften zu bilden, stärker als jene Hindernisse, und diese aus einem einzigen Antrieb einzusetzen und gemeinsam wirken zu lassen.

Diese Summe von Kräften kann nur durch das Zusammenwirken mehrerer entstehen: da aber Kraft und Freiheit jedes Menschen die ersten Werkzeuge für seine Erhaltung sind – wie kann er sie verpfänden, ohne sich zu schaden und ohne Pflichten gegen sich selbst zu vernachlässigen? Diese Schwierigkeit lässt sich, auf meinen Gegenstand angewandt, so ausdrücken: „Finde eine Form des Zusammenschlusses, die mit ihrer ganzen gemeinsamen Kraft die Person und das Vermögen jedes einzelnen Mitglieds verteidigt und schützt und durch die doch jeder, indem er sich mit allen vereinigt, nur sich selbst gehorcht und genauso frei bleibt wie zuvor.“ Das ist das grundlegende Problem, dessen Lösung der Gesellschaftsvertrag [contract social] darstellt.

Die Bestimmungen dieses Vertrages sind durch die Natur des Aktes vorgegeben, dass die geringste Abänderung sie null und nichtig machen würde; so dass sie, wiewohl sie vielleicht niemals förmlich ausgesprochen wurden, allenthalben die gleichen sind, allenthalben in Kraft und anerkannt; bis dann, wenn der Gesellschaftsvertrag verletzt wird, jeder wieder in seine ursprünglichen Rechte eintritt, seine natürliche Freiheit wiedererlangt und dadurch die auf Vertrag beruhende Freiheit verliert, für die er seine aufgegeben hatte.

Diese Bestimmungen lassen sich bei richtigem Verständnis sämtlich auf eine einzige zurückführen, nämlich die völlige Entäußerung jedes Mitglieds mit allen seinen Rechten an das Gemeinwesen als Ganzes. Denn erstens ist die Ausgangslage, da jeder sich voll und ganz gibt, für alle die gleiche, und da sie für alle gleich ist, hat keiner ein Interesse daran, sie für die anderen beschwerlich zu machen.

Darüber hinaus ist die Vereinigung, da die Entäußerung ohne Vorbehalt geschah, so vollkommen, wie sie nur sein kann, und kein Mitglied hat mehr etwas zu fordern, denn wenn den Einzelnen einige Rechte bleiben, würde jeder – da es keine allen übergeordnete Instanz gäbe, die zwischen ihm und der Öffentlichkeit entscheiden könnte – bald den Anspruch erheben, weil er in manchen Punkten sein eigener Richter ist, es auch in allen zu sein; der Naturzustand würde fortdauern, und der Zusammenschluss wäre dann notwendig tyrannisch oder inhaltslos. Schließlich gibt sich jeder, da er sich allen gibt, niemandem, und da kein Mitglied existiert, über das man nicht das gleiche Recht erwirbt, das man ihm über sich einräumt, gewinnt man den Gegenwert für alles, was man aufgibt, und mehr Kraft, um zu bewahren, was man hat.

Wenn man also beim Gesellschaftsvertrag von allem absieht, was nicht zu seinem Wesen gehört, wird man finden, dass er sich auf folgendes beschränkt: Gemeinsam stellen wir alle, jeder von uns seine Person und seine ganze Kraft unter die oberste Richtschnur des Gemeinwillens [volonté générale], und wir nehmen, als Körper, jedes Glied als untrennbaren Teil des Ganzen auf.

Dieser Akt des Zusammenschlusses schafft augenblicklich anstelle der Einzelperson jedes Vertragspartners eine sittliche Gesamtkörperschaft, die aus ebenso vielen Gliedern besteht, wie die Versammlung Stimmen hat, und die durch ebendiesen Akt ihre Einheit, ihr gemeinschaftliches Ich, ihr Leben und ihren Willen erhält. Diese öffentliche Person, die so aus dem Zusammenschluss aller zustande kommt, trug früher den Namen Polis, heute trägt sie den der Republik oder der staatlichen Körperschaft, die von ihren Gliedern Staat genannt wird, wenn sie passiv, Souverän, wenn sie aktiv ist, und Macht im Vergleich mit ihresgleichen. Was die Mitglieder betrifft, so tragen sie als Gesamtheit den Namen Volk, als Einzelne nennen sie sich Bürger [citoyen] , sofern sie Teilhaber an der Souveränität, und Untertan, sofern sie den Gesetzen des Staates unterworfen sind.

ebd., S. 16-19

 

Gemeinwille und Gesamtwille:
Die erste und wichtigste Folge der oben aufgestellten Prinzipien ist, dass allein der Gemeinwille die Kräfte des Staates gemäß dem Zweck seiner Errichtung, nämlich dem Gemeinwohl, leiten kann […].

Aus dem Vorhergehenden folgt, dass der Gemeinwille immer auf dem rechten Weg ist und auf das öffentliche Wohl abzielt: woraus allerdings nicht folgt, dass die Beschlüsse des Volkes immer gleiche Richtigkeit haben. Zwar will man immer sein Bestes, aber man sieht es nicht immer. Verdorben wird das Volk niemals, aber oft wird es irregeführt, und nur dann scheint es das Schlechte zu wollen. Es gibt oft einen beträchtlichen Unterschied zwischen dem Gesamtwillen und dem Gemeinwillen; dieser sieht nur auf das Gemeininteresse, jener auf das Privatinteresse und ist nichts anderes als eine Summe von Sonderwillen: aber nimm von ebendiesen das Mehr und das Weniger weg, das sich gegenseitig aufhebt, so bleibt als Summe der Unterschiede der Gemeinwille.

Wenn die Bürger keinerlei Verbindung untereinander hätten, würde, wenn das Volk wohl unterrichtet entscheidet, aus der großen Zahl der kleinen Unterschiede immer der Gemeinwille hervorgehen und die Entscheidung wäre immer gut. Aber wenn Parteiungen entstehen, Teilvereinigungen auf Kosten der großen, wird der Wille jeder dieser Vereinigungen ein allgemeiner hinsichtlich seiner Glieder und ein besonderer hinsichtlich des Staates; man kann dann sagen, dass es nicht mehr so viele Stimmen gibt wie Menschen, sondern nur noch so viele wie Vereinigungen. Die Unterschiede werden weniger zahlreich und bringen ein weniger allgemeines Ergebnis. Wenn schließlich eine dieser Vereinigungen so groß ist, dass sie stärker ist als alle anderen, erhält man als Ergebnis nicht mehr die Summe der kleinen Unterschiede, sondern einen einzigen Unterschied; jetzt gibt es keinen Gemeinwillen mehr und die Ansicht, die siegt, ist nur eine Sonderanschauung.

Um wirklich die Aussage des Gemeinwillens zu bekommen, ist es deshalb wichtig, dass es im Staat keine Teilgesellschaften gibt und dass jeder Bürger nur seine eigene Meinung vertritt.

 

Gemeinwille und Sonderwille:
In der Tat kann jedes Individuum als Mensch einen Sonderwillen haben, der dem Gemeinwillen, den er als Bürger hat, zuwiderläuft oder sich von diesem unterscheidet. Sein Sonderinteresse kann ihm ganz anderes sagen als das Gemeininteresse. […]

Damit nun aber der Gesellschaftsvertrag keine Leerformel sei, schließt er stillschweigend jene Übereinkunft ein, die allein die anderen ermächtigt, dass, wer immer sich weigert, dem Gemeinwillen zu folgen, von der gesamten Körperschaft dazu gezwungen wird, was nichts anderes heißt, als dass man ihn zwingt frei zu sein; denn dies ist die Bedingung, die den einzelnen Bürger vor jeder persönlichen Abhängigkeit schützt, indem sie ihn dem Vaterland übergibt. […] Man fragt sich aber, wie ein Mann frei sein kann und gezwungen, sich Willen zu unterwerfen, die nicht die seinen sind. Wie können Andersdenkende zugleich frei und Gesetzen unterworfen sein, denen sie nicht zugestimmt haben?

Ich antworte, dass die Frage so nicht richtig gestellt ist. Der Bürger stimmt allen Gesetzen zu, selbst jenen, die man gegen seinen Willen verabschiedet, und sogar solchen, die ihn bestrafen, wenn er es wagt, eines davon zu verletzen. Der beständige Wille aller Glieder des Staates ist der Gemeinwille; durch ihn sind sie Bürger und frei. Wenn man in der Volksversammlung ein Gesetz einbringt, fragt man genau genommen nicht danach, ob die Bürger die Vorlage annehmen oder ablehnen, sondern ob diese ihrem Gemeinwillen entspricht oder nicht; jeder gibt mit seiner Stimme seine Meinung darüber ab, und aus der Auszählung der Stimmen geht die Kundgebung des Gemeinwillens hervor. Wenn also die meiner Meinung entgegengesetzte siegt, beweist dies nichts anderes, als dass ich mich getäuscht habe und dass das, was ich für den Gemeinwillen hielt, es nicht war.
Wenn mein Sonderwille gesiegt hätte, hätte ich gegen meinen eigenen Willen gehandelt und wäre deshalb nicht frei gewesen.

 

Volk und Regierung:
Nimmt man den Begriff [Demokratie] in der ganzen Schärfe seiner Bedeutung, dann hat es niemals eine echte Demokratie gegeben, und es wird sie niemals geben. Es geht gegen die natürliche Ordnung, dass die Mehrzahl regiert und die Minderzahl regiert wird. Man kann sich nicht vorstellen, dass das Volk unaufhörlich versammelt bleibt, um die öffentlichen Angelegenheiten zu besorgen […].

Wir haben gesehen, dass die Legislative* beim Volke liegt und nur bei ihm liegen kann. Demgegenüber ersieht man aus den oben aufgestellten Grundsätzen leicht, dass die Exekutive nicht bei der Allgemeinheit liegen kann, die gesetzgebend und souverän ist; weil diese Gewalt nur aus einzelnen Akten besteht, die in keiner Weise in den Bereich des Gesetzes und folglich auch nicht in den des Souveräns fallen, dessen Akte alle nur Gesetze sein können.

Die öffentliche Gewalt braucht deshalb einen eigenen Geschäftsführer, der sie zusammenfasst und gemäß den Anweisungen des Gemeinwillens ins Werk setzt, der als Verbindung zwischen Staat und Souverän dient, der für die öffentliche Person in gewisser Weise das bewirkt, was beim Menschen die Vereinigung von Seele und Körper hervorbringt. Das ist im Staat der Sinn der Regierung, die fälschlicherweise mit dem Souverän verwechselt wird, dessen Diener sie nur ist.

Was ist also eine Regierung? Eine vermittelnde Körperschaft, eingesetzt zwischen Untertanen und Souverän zum Zweck des wechselseitigen Verkehrs, beauftragt mit der Durchführung der Gesetze und der Erhaltung der bürgerlichen wie der politischen Freiheit. […]

Der Souverän handelt, da er keine andere Macht hat als die Legislative, nur mittels Gesetzen, und da Gesetze nichts anderes als die eigentlichen Akte des Gemeinwillens sind, kann der Souverän nur dann handeln, wenn das Volk versammelt ist. […] Es handelt sich ausschließlich nur um einen Auftrag, ein Amt, bei dem […] [die Regierenden] als einfache Beamte des Souveräns in dessen Namen die Macht ausüben, die er ihnen anvertraut hat und die er einschränken, abändern und zurücknehmen kann, wenn es ihm gefällt. […]

Die Souveränität […] besteht wesentlich im Gemeinwillen und der Wille kann nicht vertreten werden: er ist derselbe oder ein anderer; ein Mittelding gibt es nicht. Die Abgeordneten des Volkes sind also nicht seine Vertreter, noch können sie es sein, sie sind nur seine Beauftragten; sie können nicht endgültig beschließen. Jedes Gesetz, das das Volk nicht selbst beschlossen hat, ist nichtig; es ist überhaupt kein Gesetz.

M1-M3: ebd., S. 27, 30-31; S. 21, 116-117; S. 72-73, 61-62, 98, 62, 103

Lernzettel

  • Ausgangsfrage: Wie kann ein Staat funktionieren?
  • Lösung: Gesellschaftsvertrag (contract social)
  • →kontraktualistische Theorie
  • „Der Mensch ist frei geboren, und überall liegt er in Ketten“
  • Naturzustand: Mensch sei frei, körperlich schnell, gesund, zäh, selbstgenügsam
    → Mensch im Naturzustand sei ein „edler Wilder“
  • Eigenschaften: Selbstliebe (amour de soi), Mitleid (pitié) und Perfektibilität (perfectibilité)
  • Hindernisse im Naturzustand hätten die Menschen zusammengezwungen → Notwendigkeit des Zusammenschlusses

 

Wie kann ein Zusammenschluss gelingen?

  • Zusammenschluss in Form eines Gesellschaftsvertrages (contract social): „Gemeinsam stellen wir alle, jeder von uns seine Person und seine ganze Kraft unter die oberste Richtschnur des Gemeinwillens, und wir nehmen, als Körper, jedes Glied als untrennbaren Teil des Ganzen auf.“
  • Bündelung aller Kräfte zum Schutz des EinzelnenFreiheit des Menschen müsse geschützt werden, denn sie sei ein Teil des Menschseins, mithin eine Pflicht des Menschen
    → daher: Austausch der natürlichen Freiheit gegen rechtlich gesicherte Freiheit
  • Entstehung einer sittlichen Gesamtkörperschaft und Volkssouveränität mit gemeinsamem Ziel im Staat

 

  • Drei Willensarten:
    1. Sonderwille (volonté particulière) → Privatinteresse des Menschen
    2. Gesamtwille (volonté de tous) → Summe aller Sonderwillen
    3. Gemeinwille (volonté générale) → Median aller Gemeinsamkeiten der Einzelwillen, die nach Wegkürzen der Extrema, also der stark abweichenden Sonderwillen, übrigbleiben
    → zur Vermeidung von Teilgesellschaften solle nur der
    Gemeinwille verfolgt werden
    → Dazu: Unterordnung des Sonderwillens unter den Gemeinwillen
  • Notwendigkeit der Auflösung des Staates nach Erreichen des Ziels, da nur der Naturzustand die ideale Lebensform sei (bestenfalls)→ natürliche Freiheit nur im Naturzustand
  • Organe des Staates:
    → Volk als Souverän (Gesetzgebung)
    → Regierung als Exekutive und Diener des Souveräns
  • regelmäßige Versammlungen des Volkes:
    → Zufriedenheit mit der Regierungsform
    → Übereinstimmung von Gemeinwillen & Regierungsentscheidungen

Schaubild

Klausurtext

Tragfähigkeit

  • Gleichberechtigung aller Menschen; gleiche Rechte
  • Alle haben dasselbe Ziel und unterstützen sich gegenseitig
  • Gemeinwohl als Hauptziel → gut für das Volk
  • sehr demokratisches Prinzip → die Stimme jedes Mitgliedes wird benötigt und beachtet
  • in gewisser Weise wird im Gemeinwillen der Wille jedes Mitgliedes (zumindest in Teilen) eingeschlossen → kein Einspruch möglich oder gewollt
  • Es gibt keine machthabenden Einzelpersonen bzw. Gruppen und somit auch keinen Machtmissbrauch
  • die Regierung steht nicht über dem Volk, sondern handelt auf Befehl des Souveräns → Volkssouveränität
  • die Menschen im Staat nach Rousseau sind frei und können somit sittlich handeln
  • die Menschen können immer wieder einen Gesellschaftsvertrag eingehen, wenn nötig und können den Staat ebenso wieder auflösen, wenn das gemeinsame Ziel erreicht wurde
  • er nimmt an, dass der Mensch im Naturzustand frei ist und definiert den Naturzustand → reine Theorie, da er in einem Staat gelebt hat
  • bei jeder Entscheidung entstehen Randgruppen, deren Sonderwillen evtl. konträr laufen, sie also die Extrema bilden und weggekürzt würden. Dies scheint bei kleineren Gruppen (bspw. Babys, Senioren) öfter der Fall zu sein, da sie ohnehin die Minderheit bilden und somit weniger von ihren Interessen vertreten sind -> hier hätte Rousseau einen Ausgleich finden müssen, damit die Sonderwillen solcher Randgruppen nicht zu oft weggekürzt werden
  • der Gemeinwille muss nicht immer richtig sein → kann durch das negative Menschenbild vieler verzerrt sein (s. im Grunde gut, politische Verklärung, Vorurteile, etc.)
    → dass das Volk durch alle Mitglieder alle Entscheidungen trifft, ist nicht immer sinnvoll (z.B. bei politischen Themen, IT, Ernährung) → nur wenige haben Ahnung und die Stimmen von Leien würden den Gemeinwillen stark beeinflussen
  • Wo ist die Grenze der Extrema und wie legt man sie fest?
  • Machthaber oder mächtigere Personen würden sich gegen die Abgabe ihrer Rechte sträuben → Ablehnung des Gesellschaftsvertrages
  • zeitaufwendig, den Gemeinwillen zu finden → es ist nicht immer eindeutig, was der Gemeinwille sein könnte → kaum umsetzbar, da alle Menschen ihre Stimme abgeben müssen
  • Wenn sich der Staat nach Erreichen des Ziels nicht auflöst, entstände Konkurrenz und ein Despot würde drohen

Teste dein Wissen

Für Rousseau ist die Freiheit die wertvollste Eigenschaft des Menschen, da sie eine notwendige Bedingung sittlichen Handelns ist.

Da der Mensch im Staat jedoch durch Gesetze unterworfen wird, nimmt man ihm seine natürliche Freiheit und er wird unfrei. Deshalb beschreibt Rousseau den Menschen im Staat als in Ketten liegend.

Aus diesem Grund hat ein Staat laut Rousseau die Aufgabe, die Freiheit des Menschen weitestgehend zu erhalten.

Im Naturzustand ist der Mensch „frei, körperlich schnell, gesund, zäh und selbstgenügsam“. Darüber hinaus besitzt er die drei Haupteigenschaften Selbstliebe (amour de soi), durch die er selbstbezogen sei, also auf seine eigenen Gefühle achte, Mitleid (pitié), also das Unvermögen andere leiden zu sehen und Perfektibilität (perfectibilité), was die Möglichkeit der Selbstvervollkommnung ist.

 

Die Menschen mussten ihren Naturzustand laut Rousseau verlassen, weil in diesem Hindernisse aufgekommen sind, die nur durch einen Zusammenschluss überwunden werden konnten.

Mögliche solcher Hindernisse sind z.B. Vergesellschaftung, durch welche Rangordnung, Neid & Missgunst entstanden sind, Naturkatastrophen oder Ressourcenknappheit.

Da Rousseau die Freiheit als einen Teil des Menschen, mithin als eine Pflicht ansieht, muss sie auch im Staat geschützt werden. Dies wird durch einen Gesellschaftsvertrag möglich, in dem alle Menschen eine rechtlich gesicherte Freiheit erhalten.

„Gemeinsam stellen wir alle, jeder von uns seine Person und seine ganze Kraft unter die oberste Richtschnur des Gemeinwillens, und wir nehmen, als Körper, jedes Glied als untrennbaren Teil des Ganzen auf.“

Rousseaus Gesellschaftsvertrag fordert die Bündelung aller Kräfte zum Schutz des Einzelnen, sodass eine sittliche Gesamtkörperschaft bzw. eine Volkssouveränität entsteht.

Anders als im Staat nach Hobbes verkörpert das Volk in einem Staat nach Rousseau den Souverän.

Es gibt den Sonderwillen (frz. volonté particulière), der das Privatinteresse eines Menschen darstellt.

Der Gesamtwille (frz. volonté de tous) ist die Summe aller Sonderwillen.

Der Gemeinwille (frz. volonté générale) wird gebildet, indem die Extrema des Gesamtwillen weggekürzt werden, sodass eine Art Median aus den Gemeinsamkeiten der Sonderwillen entsteht.

Rousseau verlangt, dass nur der Gemeinwille verfolgt wird, da er das Interesse des Volkes widerspiegelt und somit zum Gemeinwohl beiträgt.

Deshalb ist auch die Unterordnung der Sonderwillen unter den Gemeinwillen notwendig.

Dadurch, dass alle Bürger des Staates ihren individuellen Sonderwillen dem Gemeinwillen unterordnen, können sie nicht gegen diesen widersprechen, da er ihre Sonderwillen in Teilen enthält.

Zudem war der Grund für die Etablierung eines Staates die Notwendigkeit von Kooperation, um bestimmte Hindernisse überwinden zu können. Die Menschen verfolgen in Rousseaus Staat also alle das gleiche Ziel – die Hindernisse zu überwinden – und helfen einander.

Nach Erreichen des gemeinsamen Ziels soll der Staat im Optimalfall wieder aufgelöst, da  die Menschen wieder ihre eigenen Ziele verfolgen, was zur Entstehung von Egoismus führt und sie des Weiteren nur im Naturzustand ihre natürliche Freiheit haben.

Das Volk und die Regierung bilden die zwei Organe des Staates. Dabei ist das Volk der Souverän (#Volkssouveränität) und gleichzeitig gesetzgebende wie auch rechtssprechende Gewalt, d.h. Legislative und Judikative.

Die Regierung wird vom Volk gewählt und bildet die Exekutive. Sie ist Diener des Souveräns und handelt auf Befehl des Souveräns.

Regelmäßige Versammlungen des Volkes sind notwendig, um über folgende zwei Anträge abzustimmen:
Die Zufriedenheit des Souveräns mit der Regierungsform und die Übereinstimmung von Gemeinwillen & Regierungsentscheidungen.

Damit der Staat nach Rousseaus Vorstellungen funktioniert, muss die Bildung von Teilgesellschaften vermieden werden. Der Gemeinwille, der den Willen des Souveräns repräsentiert, muss mit allen Sonderwillen gebildet werden. Würden sich Teilgesellschaften bilden, entständen viele Gemeinwillen innerhalb der jeweiligen Teilgruppen, wodurch unterschiedliche Interessengruppen gegeneinander arbeiten würden. Die Bildung eines Gemeinwillens würde somit unmöglich und Rousseaus Staatssystem würde zusammenbrechen.

Hobbes‘ Hauptziel war die Sicherung des Friedens. Dieses Ziel steht für ihn über allem im Staat – auch über der Freiheit des Menschen, die er im Gegenzug für Frieden an den Souverän abgeben soll. Dabei ist der Souverän eine Person oder kleine Gruppe, die alleine Gesetze entwirft und über das Volk herrscht.

Rousseau hingegen war der Schutz der Freiheit des Menschen am wichtigsten, da diese eine Eigenschaft des Menschen und seine Pflicht ist. Er legt in einem Staat Wert darauf, dass der Mensch rechtlich gesicherte Freiheiten erhält und das Volk selbst Souverän ist, um nicht durch Gesetze unterworfen zu werden.

Lernmaterial

Einen guten Überblick zu Rousseaus Staatsphilosophie bilden die folgenden Videos:
Schnell Erklärt! Jean-Jacques Rousseau

Hobbes und Rousseau im Vergleich ILeviathan vs. Gesellschaftsvertrag I Anthropologie