Leibniz — einer der Meisterdenker der frühen Neuzeit – hat ein berühmtes Prinzip formuliert: den Satz vom zureichenden Grund. […] Wenn irgendetwas geschieht (etwa der Anpfiff eines
Fußballländerspiels), gibt es eine Reihe von Gründen dafür, dass es geschieht. […]
Auf den ersten Blick könnte man meinen, der Satz vom zureichenden Grund schränke unsere Freiheit ein oder mache sie gar zunichte. Denn er sagt ja, dass wir nicht einfach nur so oder grundlos irgendetwas tun. […]
[Doch] der Eindruck, dass uns der Satz vom zureichenden Grund unfrei macht, ist trügerisch. Um zu sehen, warum das so ist, ist ein erster Schritt der, zwischen harten Ursachen und Gründen zu
unterscheiden.
Liegt eine harte anonyme Ursache vor, wird eine Wirkung eintreten, ob man dies will oder nicht. Wenn man mich etwa zehn Minuten unter Wasser hält, werde ich ertrinken, ob ich dies will oder nicht. Wenn ich mir ein Messer ins Bein ramme, wird dies schmerzen, ob ich dies will oder nicht. Wenn die Schwerkraft Newtons Gesetzen folgt, wird man zu dem und dem Zeitpunkt genau diese oder jene Sterne und Sternbilder von der Erde aus beobachten können, ob man dies will oder nicht. Naturgesetze sollen Zusammenhänge zwischen harten Ursachen ausdrücken, die notwendig sind, das heißt die niemals verletzt werden. Naturgesetze sind sozusagen besonders hart und unnachgiebig.
Im Unterschied dazu können mich viele Gründe niemals zu etwas zwingen. Angenommen, Olaf – ein langjähriger Kettenraucher – hätte den denkbar besten Grund, endlich mit dem Rauchen aufzuhören. Der Grund wäre etwa, dass er dann länger lebte, weniger hustete und seltener nach Qualm röche. Daraus folgt nicht, dass er zwingend aufhört zu rauchen. Er hört auf zu rauchen, wenn er dies will, sonst raucht er eben weiter. Man kann ihn allerdings zwingen, indem man ihn vor die Wahl stellt, das Rauchen aufzugeben oder ins Gefängnis zu gehen. Doch auch dann gibt es immer noch Raum für Olaf, die Unfreiheit vorzuziehen, sofern er ein Leben in Freiheit Ohne Zigaretten nicht für lohnenswert hält. Wenn ein Grund vorliegt, ereignet sich etwas nur dann, wenn jemand dem Grund folgen Will. Gründe können zu Motiven werden, bei harten Ursachen liegt dies nicht auf der Hand. Es ist jedenfalls kein alltägliches Motiv, sich an die Naturgesetze zu halten […].
Es kommt alles darauf an, dass man das Folgende anerkennt: Gründe und harte anonyme Ursachen, beide können unser Verhalten zugleich steuern. Angenommen, mir schmeckt aufgrund meiner neurobiologischen Ausstattung Tomatensoße besser als Sahnesauce. Dann wären die relevanten neuronalen Verschaltungen harte Ursachen dafür, dass mir Tomatensoße besser schmeckt als Sahnesauce. Aber vielleicht habe ich heute einen guten Grund dafür, die Sahnesauce zu nehmen, da diese mehr Proteine und Fette enthält, die ich gerne zu mir nehmen möchte. Dann Wäre dieser Grund leitend. […]
Der Satz vom zureichenden Grund sagt also nicht, dass alles, was geschieht, aus harten anonymen Ursachen geschieht. Da einfach nicht alle notwendigen Bedingungen, die einem Ereignis zugrunde liegen, harte anonyme Ursachen sind, kann das Geschehen auf unserem Planeten nicht insgesamt dadurch erklärt werden, dass man nur diese in Rechnung stellt.
Wenn man etwa erklärt, warum ein Autodieb bestraft Wird, Wird man lauter Begriffe verwenden, die notwendige Bedingungen namhaft machen, die aber keine harten Ursachen sind. Das bedeutet aber, dass es nicht etwa eine einzige sehr lange Kausalkette gibt, die alles bestimmt, steuert oder regelt, sondern nur eine riesige, völlig unüberschaubare Menge notwendiger Bedingungen und durch sie bestimmter Ereignisse. Wir sind deswegen frei, weil viele der notwendigen Bedingungen unseres Handelns keine harten Ursachen sind.
Markus Gabriel: Ich Ist nicht Gehirn. Philosophie des Geistes für das 21. Jahrhundert. Ullstein, Berlin 2015. S.285, 286, 288-292
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Viel Erfolg beim Lernen!
Ein Philosoph, der sich ebenfalls mit der Frage nach der Freiheit des Menschen beschäftigt hat, ist Markus Gabriel.
Gabriel definiert in seinem vertretenen ExistenzialismusTheorie, die davon ausgeht, dass der Mensch frei ist und mit… More zuerst den Satz vom zureichenden Grund, welcher besagt, dass alles was passiert, aus einer Reihe von Gründen zu Stande komme. Zusätzlich erklärt er, dass der Satz vom zureichenden Grund den Menschen nicht in seiner Freiheit einschränke und führt an, man müsse in der Freiheitsfrage zwischen harten Ursachen und Gründen unterscheiden. Eine harte anonyme Ursache bedeute, dass eine Wirkung notwendigerweise eintreten werde, ob der Mensch dies wolle oder nicht. Zu solchen harten anonymen Ursachen würden Naturgesetze gehören, die man nicht umgehen könne, weil sie unnachgiebig und notwendig seien. Als Beispiel führt Gabriel an, dass jemand, der zehn Minuten unter Wasser gehalten wird, ertrinken würde, ob er dies wolle oder nicht.
Im Gegenzug dazu stellt Gabriel Gründe vor, welche einen Menschen niemals zu etwas zwingen könnten, denn wenn ein Grund vorliege, dann handle der Mensch nur nach diesem, wenn er diesem Grund folgen wolle. Ein Beispiel wäre ein langjähriger Kettenraucher, welcher mit dem Rauchen aufhören könnte, um länger zu leben, weniger zu husten oder seltener nach Rauch zu stinken. Er könne sich trotz besseren Wissens um seine Gesundheit aus freiem Willen dagegen entscheiden und weiter rauchen.
Damit veranschaulicht der Philosoph, dass Gründe nur zu Motiven des Handelns werden könnten, harte Ursachen jedoch nicht, da sie, anders als Gründe, keine Entscheidungsfreiheit erlauben würden.
Des Weiteren postuliert er, dass Gründe und harte anonyme Ursachen das Verhalten des Menschen zugleich steuern würden. Zur Verdeutlichung bringt Gabriel das Beispiel an, ein Mensch möge vielleicht aufgrund genetischer Veranlagungen Tomatensoße lieber als Sahnesoße, er könne sich dann aber dennoch für die Sahnesoße entscheiden, z.B. weil sie mehr Proteine und Fette enthalte. So seien neurobiologische Ausstattungen, wie der Geschmack, harte anonyme Ursachen, aber man könne sich dennoch frei dazu entscheiden, etwas essen, was nicht dem Geschmack entspricht, wenn man einen zureichenden Grund, wie die Nährwerte der Soße, habe.
Der Satz vom zureichenden Grund bedeute letztlich also nicht, dass alles aus harten anonymen Ursachen geschehe und der Mensch unfrei sei. Da nämlich nicht alle notwendigen Bedingungen harte anonyme Ursachen seien, habe der Mensch die Möglichkeit, eingeschränkt durch harte anonyme Ursachen, bedingt frei zu entscheiden.
(Anna V. – LK MH 2024)
Der deutsche Philosoph Markus Gabriel beschäftigte sich unter anderem mit der Problemfrage, ob die Menschen in ihrer Freiheit eingeschränkt sind bzw. einen freien Willen haben oder nicht. Seine Lösung findet er in seinem ExistentialismusTheorie, die davon ausgeht, dass der Mensch frei ist und mit… More, in dem er davon ausgeht, der Mensch sei nicht determiniert, sondern besitze grundsätzlich einen freien Willen.
Um seinen Gedankengang zu verstehen, bezieht sich der deutsche Philosoph zunächst auf den Satz vom zureichenden Grund, welcher darin besteht, dass es harte anonyme Ursachen und Gründe gebe. Dabei folge auf jede Ursache eine Wirkung, woraus jedoch nicht folge, dass der
Mensch in seinem Handeln determiniert ist. Das Prinzip der sinnbildlichen Dominokette treffe nämlich nur bedingt zu, da es zwei verschiedene Möglichkeiten gebe, durch die ein Mensch beeinflusst werden könne – also neben harten Ursachen auch Gründe.
Auf erstere trete notwendigerweise eine Wirkung ein ohne eine mögliche Beeinflussung, wie beispielsweise ein Naturgesetz. Gabriel erläutert dies anhand eines Beispiels, bei dem ein Mensch zehn Minuten unter Wasser gehalten werde und ertrinken würde, da er in dieser Situation nichts anderes machen könnte, selbst wenn er es wollte. Hingegen Gründe würden dem Mensch eine freie Entscheidung darüber bieten, was er tut. Auch hier liefert er ein Beispiel, nämlich jenes eines langjährigen Kettenrauchers, welcher vielleicht gute
Gründe habe, um mit dem Rauchen aufzuhören. Die Tatsache, dass er trotzdem weiter raucht, zeige, dass er die freie Wahl habe, sich gegen das Aufhören zu entscheiden. Bei einer solchen Entscheidung verändere sich bzw. passiere also nur etwas, wenn der Mensch sich dazu entscheidet, seinem Grund nachzugehen.
Auf dieser Grundlage stellt Gabriel folgend die These auf: Der Mensch hat einen freien Willen, der durch harte anonyme Ursachen begrenzt ist. Dies begründet er damit, dass, wenn es nur harte Ursache geben würde, der Mensch determiniert wäre, da ihm keinerlei Entscheidung über das, was passiert, gegeben wäre. Jedoch existierten neben diesen zusätzlich auch Gründe, bei denen uns die Entscheidung zur Handlung freistehe, weshalb wir nicht determiniert sein könnten. Zur Veranschaulichung zieht Gabriel das Beispiel mit Tomatensoße heran: Man könne sich trotz genetisch bedingter Präferenz für eine Tomatensoße – also einer harten anonymen Ursache – dennoch lieber für die Sahnesoße entscheiden, was die Handlungsfreiheit veranschaulicht, die die Gründe dem Menschen geben.
Ein weiteres Argument für die Willensfreiheit des Menschen sei, dass viele Motive menschlichen Handelns in Gründen und nicht harten anonymen Ursachen zu finden wären, woraus Markus Gabriel schließlich folgert, die sinnbildliche Dominokette existiere nicht, denn der Mensch sei frei und nicht determiniert.
(Barbara J. – LK MH 2025)
Der deutsche Philosoph Markus Gabriel hat sich ebenfalls mit der Problemstellung, ob der Mensch frei oder determiniert ist, auseinandergesetzt. In seiner zentralen These kommt er zu dem Ergebnis, der Mensch sei bedingt frei, da seine Motive von harten Ursachen wie auch eigenständig wählbaren Gründen bestimmt würden.
Gabriels ExistentialismusTheorie, die davon ausgeht, dass der Mensch frei ist und mit… More basiert auf dem Satz des zureichenden Grundes, der besagt, dass es sowohl harte anonyme Ursachen als auch Gründe gebe. Harte Ursachen, wie beispielsweise Naturgesetze, würden zwangsläufig zu bestimmten Wirkungen führen. Im Gegensatz dazu würden Gründe den Menschen zwar in seinem Handeln beeinflussen, aber dennoch eine freie Entscheidung darüber ermöglichen, was man letztlich tue.
Die menschliche Freiheit ergebe sich daraus, dass viele notwendige Bedingungen Gründe und eben nicht harte Ursachen wären. Ein Beispiel hierfür sei die Präferenz für Tomatensoße gegenüber Sahnesoße. Während die Vorliebe für Tomatensoße möglicherweise genetisch bedingt ist und somit als harte Ursache gesehen werden müsse, bleibe die Entscheidung, dennoch die Sahnesoße zu wählen, beispielsweise aufgrund besserer Nährwerte, dem Menschen überlassen. Er könne sich hier also frei entscheiden.
Gabriels ExistentialismusTheorie, die davon ausgeht, dass der Mensch frei ist und mit… More betont die Freiheit des Individuums, Entscheidungen zu treffen, auch wenn bestimmte Prädispositionen bzw. harte Ursachen vorliegen. Diese Perspektive unterstreicht, dass trotz deterministischer Elemente im menschlichen Leben die Möglichkeit zur freien Willensentscheidung besteht.
(Anna-Marie H. – LK MH 2024)
Markus Gabriel definiert den Satz vom zureichenden Grund als die Idee, dass alles, was geschieht, aus einer Reihe von Gründen hervorgeht.
Gabriel erklärt, dass harte anonyme Ursachen notwendig sind und unabhängig vom menschlichen Willen eintreten, während Gründe nur dann wirksam würden, wenn der Mensch sich dazu entscheidet, ihnen zu folgen.
Gabriel führt das Beispiel an, dass jemand ertrinken würde, wenn er zehn Minuten unter Wasser gehalten würde, unabhängig davon, ob er ertrinken möchte oder nicht. Dies geschieht notwendigerweise aufgrund der Naturgesetze.
Gabriel betont, dass harte anonyme Ursachen, wie Naturgesetze, keine alltäglichen Motive seien, da man sich nicht frei entscheiden könne, ihnen zu folgen oder nicht. Sie bestimmten laut Gabriel das menschliche Handeln nur in wenigen Fällen und seien nicht alltäglich.
Gabriel verwendet das Beispiel einer Person, die genetisch bedingt Tomatensoße bevorzugt, aber sich dennoch bspw. wegen einer proteinhaltigen Ernährung für die Sahnesoße entscheiden kann.
Neurobiologische Ausstattungen seien harte anonyme Ursachen, die genetisch bedingte Vorlieben und Neigungen beeinflussen, aber durch (rationale) Gründe übersteuert werden könnten.
Gabriel betont, dass der Satz vom zureichenden Grund nicht bedeute, dass alles aus harten anonymen Ursachen geschehe, da viele notwendige Bedingungen des Handelns Gründe und keine harten anonymen Ursachen seien.
Der Mensch sei laut Gabriel frei, weil viele seiner Handlungen auf Gründen basierten, die freiwillig gewählt würden, und nicht auf harten anonymen Ursachen, die zwangsläufig eintreten.
Sowohl Schopenhauer als auch Gabriel nehmen an, dass der Mensch durch bestimmte (äußere) Einflüsse determiniert wird.
Bei Gabriel ist der Mensch allerdings nur selten determiniert, weil harte anonyme Ursachen nur sehr selten das Handeln steuern würden und dem Handeln meist Gründe unterliegen, auf die eine freie Entscheidung folge.
Schopenhauer hingegen postuliert, der Mensch sei vollkommen determiniert, da innere und äußere Einflüsse jeder Art, egal wie schwach sie sind, den Menschen in seinem Handeln lenken und seinen Willen somit determinieren würden.
Markus Gabriels Position unterscheidet sich von Sartre dadurch, dass er dem Menschen keinen bedingungslos freien Willen und somit volle Verantwortung für sein Handeln zuschreibt, während Sartre die Isolation und Verantwortung des Einzelnen in den Vordergrund stellt. Sartre schreibt dem Menschen volle Verantwortung für sich selbst und die Menschheit zu, ohne mögliche Einschränkungen jenes freien Willens festzulegen.
Marcel Münch
m.muench@franziskus-olpe.de
Anna-Marie Hommel
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